Westfalenblatt 06.02.2025
Mit einem Flugzeug und einer Rakete sind zwei Teams bei “Jugend forscht”
Gymnasiasten wollen hoch hinaus
von Annemarie Bluhm-Weinhold
STEINHAGEN Abgehoben und sogar zu den Sternen gegriffen haben die Schüler und Schülerinnen des Steinhagener Gymnasiums schon öfter bei Jugend forscht – legendär ist der Flug eines Wetterballons 40 Kilometer in die Höhe bis an den Rand der Stratosphäre im Jahr 2018. Und nun setzten wieder zwei Schülerteams auf Flugtechnik und Raketenschubkraft.

Erstmals findet der Regionalwettbewerb OWL nicht mehr in Herford, sondern am 15. Februar in der Bielefelder Wissenswerkstadt, der außerschulischen MINT-Förderung der Stadt Bielefeld an der Wilhelmstraße, statt. Für Andreas Frerkes, Physiklehrer und MINT-Koordinator am SteinGy, ist die Premiere zugleich ein Jubiläum: Seit 20 Jahren begleitet er Steinhagener Schüler und Schülerinnen bei ihren Forschungen für den Wettbewerb.
Die erste Teilnahme der damals noch jungen Schule 2005 war auch die bisher erfolgreichste. Die drei Achtklässler Julian Wegmann, Jan Landwehr und Philipp Werner schafften es mit ihrem Projekt „Kork – ein sagenhafter Stoff“ nicht nur auf Regional-, sondern auch auf Landesebene auf den ersten Platz. Geschätzt 80 Gruppen hat er in all den Jahren zu „Jugend forscht“ begleitet – immer mit hohem Anspruch, aber ohne krampfhaften Siegeswillen: „Der Forschungsprozess an sich ist doch viel wichtiger als das Endergebnis. Aber natürlich müsste man gar nicht antreten, wenn man nicht auch zum Landeswettbewerb wollte“, sagt Andreas Frerkes.
Die beiden Projekte dieses Jahres von zwei Teams aus der Q2 habe seiner Meinung nach jede Menge Potenzial, es weit zu bringen – abgehoben sind beide ohnehin. Im wahrsten Sinne des Wortes.
Bei Julian Haberecht (16) und Erik Rützler (17) geht es titelgebend um „Bau und Entwicklung von Raketenmotoren“. Das spektakuläre Wetterballon-Projekt hat sie sicherlich inspiriert, denn schließlich ist, wie ihr Lehrer erklärt, „die ‘Faszination Weltraum’ ein Schwerpunkt der Schule“. Als sie mit dem Projektkurs anfingen, nahmen sie sich vor: „Wir wollen eine Rakete bauen“. Das aber könnte derart explosive Folgen haben, dass es sicherheitstechnisch an einer Schule gar nicht möglich ist. Und auch so waren Chemielehrerin Elke Wolf und Physiklehrer und zertifizierter Pyrotechniker Timo Drewitz ständig eingebunden, denn die Schüler konzentrierten sich schließlich auf den Antrieb und experimentierten mit den unterschiedlichsten Stoffen.

Am effizientesten hat sich Schwarzpulver erwiesen, das sie mit Gummi arabicum, einem Lebensmittelzusatzstoff, und Spiritus verbunden und in kleine Röhren gepackt haben. Nach unten haben sie die Einkerbung in die Treibladung, das sogenannte Seelenrohr, mit einer sich verjüngenden Form gestaltet, die sie selbst auf dem 3D-Drucker hergestellt haben. Nach oben haben sie mit Gips aufgefüllt und abgedichtet und die Zündschnur angebracht. Wenn die Rakete nun abhebt, dann messen die Schüler den Schub über eine Waage. „Wir wollten nicht nur einen funktionierenden Motor bauen, sondern auch die zugrunde liegenden physikalischen und chemischen Prinzipien verstehen“, sagen sie. Festgestellt haben sie: Die Düse und die Form – oder besser: Größe der Oberfläche – des Seelenrohres bestimmen maßgeblich die Schubkraft.
Julian Haberecht war auch in einem zweiten Projekt mit seinen Freunden Ben Hustert und Julian aktiv. „VTOL – Versorgung in schwer erreichbaren Gebieten“ haben sie ihr Flugzeug genannt, das die Vorteile einer Drohne und eines Flugzeugs miteinander verbindet, um Medikamente schnell in entlegene Gegenden dieser Welt zu bringen oder sie auch in der Stadt (unabhängig von Staus) zu transportieren. VTOL steht für „Vertical TakeOff and Landing“. Der Senkrechtstarter wird über Propeller in die Höhe und wider an den Boden gebracht, aber auch der Abwurf der Ladung ist möglich. Das Modellflugzeug mit 80 Zentimetern Flügelspannweite haben sie zwar nicht selbst gebaut, aber erheblich modifiziert, um ihm Stabilität zu verleihen, und selbst Teile im 3D-Drucker gestaltet. Autonomes Fliegen wird mittels Flightcontroller, dem Herzstück der Technik, und GPS verwirklicht – und alles wurde selbst programmiert.
Auch bei widrigstem Wetter – Windstößen etwa – bleibt der Flieger stabil. Getestet haben sie ihn auf einem Modellflugplatz zwischen Halle und Borgholzhausen.
Die teure Technik ist finanziert worden über den Förderverein der Schule und von einem Forschungskonto, auf das der Fachbereich Preisgelder und Fördergelder aus anderen Wettbewerben eingezahlt hat.